Eriwan, Dienstag, 21. Dezember 1999

Fahrt mit Vartan zum Schlachtfeld … 1919 und Ethnographischen Museum in … . Die Gegend gleicht einem Ruinenfeld. Im Smog eines naßkalten Dezembertages hat man den Eindruck, man führe durch eine vom Krieg heimgesuchte Landschaft. Kolchosen und andere Staatsbetriebe sind vollkommen demontiert, teilweise einschließlich der Mauern. Von Investitionen, einheimischen, Diaspora oder ausländischen kann jenseits des Zentrums Erewans überhaupt keine Rede sein. Autowracks, umfunktioniert in Unterstände für die Hirten (meist Kurden) oder geschmackvoll eingeflochten in Zäune überall am Straßenrand. Die Bevölkerung ist weitgehend apathisch.

Anders als in Aserbaidschan oder Georgien konnten sich zivile Kräfte (auch dort nicht demokratisch) nicht gegen das rechte schlagfertige Militär, das seit den Kardinalfehlern Elchibejs russische Unterstützung genießt, durchsetzen. Die Armee beteiligt sich schamlos an Schutzgelderpressung und korrumpierter Politik auf allen Ebenen (von Rekruten, die sich von Schikanen freikaufen müssen, bis hin zur Anklagestrategie des Militärchefanklägers, der den Präsidenten unter Feuer nimmt).

Geschichten

  1. Vano stürmte kurze Zeit nach dem Attentat auf Sarkisian und Co die Französiche Botschaft, die Stiefel bis zum Schaft voll von Hosenschiß. Der Französische Botschafter war nicht amüsiert (Info HE). Dies kann grundsätzlich zwei Gründe haben: Entweder wähnte sich Vano nach dem Tod des Premiers schutzlos den Ordnungshütern ausgeliefert – letzterer hatte immerhin dafür gesorgt, daß Vano, dem eine Reihe hochkarätige Morde während seiner Zeit als Innenminister vorgeworfen werden (Generalstaatsanwalt, Eisenbahnchef, Stellvertretender Verteidigungsminister, ehem. KGB-Chef…), wohlbehalten mit seiner Familie nach Frankreich ausreisen konnte. Das Parlament hatte es abgelehnt, Vanos Immunität aufzuheben und Serge S. brachte ihn daraufhin zum Flughafen. Oder Vano ist selbst in das Attentat verwickelt und hatte höhere Ziele, die sich allerdings nicht erfüllten (Putsch).
  • Vano war seinerzeit eine höchst unangenehme Figur für viele normalsterbliche Armenier. Seines Zeichens Schriftsteller (Djaba läßt grüßen) hatte er zusammen mit dem Akademiker (Vostochnovedine) Ter-Petrossian das Karabach-Komitee geründet (mit von der Partie auch Sarkisian). Vano kommt wie die Mehrzahl der Kriegstreiber aus ländlichen Verhältnissen. Als Innenminister machte er sich zunächst dadurch einen Namen, daß er mehrfach öffentlich erklärte, er sei jetzt der entscheidende Dieb im Gesetze und alle anderen Diebe haben sich entweder zu verpissen (na xui) oder werden fertig gemacht. Er unterstrich die Drohung indem er eine Privatcheka gründete und den verbliebenen Autoritäten auf den Hals schickte. Die Meisten suchten das Weite; die anderen wurden getötet.
    Vano schickte seine Jungs auch zu diversen Fabriken und ließ erklären, daß sie bestimmte Summen in Dollar zu zahlen hätten. Wenn sie nicht in bar zahlen wollten oder konnten, wurde ihnen auch angeboten, das Geld auf ein bestimmtes Konto in Erewan einzuzahlen.

  • Auch der dahingeschiedene Premierminister Sarkisian hatte eigene Methoden, die Polizei zu disziplinieren. Als zwei LIMITs in völliger Unkenntnis der relevanten Nummernschilder und Automarken fälschlicherweise den Merzedes von Sarkissian anhielten, wurden sie von dessen Leibwächtern krankenhausreif geprügelt und mit dem Tode bedroht.

  • Vartans Guter Chechene und Böser Chechene
  • Russen, Alkohol und Bräute
  • Die doppelte Immobiliensteuer
  • Professionelle Biographie Vartans
  • Vazgen Sarkisian aquiriert/liquidiert Buntmetallexporteur
  • Die Abschreibung der Volkswirtschaft; Privatisierung in Armenien

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