08.04.2019: Dato und der feixende Gott

Ich habe gestern mit Dato geskyped. Er erzählte mir er habe das Gefühl, Gott hätte ihn nur für dessen persönliches Amüsement erschaffen. Ein bisschen zugucken, feixen, dann den Fensterladen schließen. Zur Veranschaulichung erzählte er diese Geschichte.

Valeria hatte ihn verlassen. Zunächst hatte er Angst vor dem Alleinsein, es war das erste Mal, dass er wirklich alleine lebte. Dann merkte Dato aber, dass es auch Vorteile hat, alleine zu sein. Er konnte nun Führungen, die ihn langweilten, absagen, ohne seiner jungen und finanziell anspruchsvollen Frau gegenüber ein schlechtes Gewissen zu haben. Außerdem konnte er sich endlich die Waschmaschine kaufen, die er schon lange auf Amazon im Visier hatte, aber nicht kaufen konnte, weil Valeria sie mit 3 kg maximalem Füllgewicht unterdimensioniert fand. Eine Maschine, die man an die Wand hängen kann weil sie mit rotierenden Gegengewichten vibrationsarm arbeitet. Freunde von Dato meinten, dass man diese schicke Maschine auch als Masturbationsvorlage nehmen könne. Dato kaufte sie sich als Weihnachtsgeschenk.

Der Aufbau der Wandwaschmaschine verlief ohne Unfälle, die Erstnutzung nicht. Dato hatte das immerhin 36 kg schwere Gerät zunächst an einer Rigipswand angebracht. Freunde rieten davon ab. Er baute um und war danach ziemlich fertig. Ausprobieren wollte er das gute Stück aber doch und ließ einen Waschgang durchlaufen. Beim Ausladen verlor er eine Badehose vor seinem Bett. In dieser verfing er sich schlaftrunken am nächsten Morgen so unglücklich, dass er mit der rechten Kopfhälfte auf dem gusseisernen Heizkörper, mit der linken dann auf dem Eichenfußboden aufschlug und 15 Minuten ohne Bewußtsein dalag. Blut im Hals weckte ihn kurz vor dem Ersticken auf.

Dato blieb fünf Tage im Bett, konnte nicht aufstehen, konnte nicht einmal die Katzen füttern. Sein Lieblingskater war klug genug selbstständig eine Packung Jahre altes Fertigfutter, das er sonst nicht nur verschmäht sondern sogar reingeschissen hatte, aufzubeißen und sich so notgedrungen selbst zu versorgen. Dato hatte nur seine Ex-Freundin Valeria informiert, die ihrerseits einen Notarzt gerufen hatte, den der nicht versicherte Dato allerdings abwimmelte. Dato rappelte sich nach einer Woche wieder, es blieben aber Gleichgewichtsstörungen zurück. Nicht einmal seinen heiß-geliebten Elektroroller konnte er mehr fahren.

Nach einigen Wochen sah Dato zufällig, wie Valeria, die noch einen Schlüssel für Datos Wohnung hatte, mit seinem Lieblingskater – eben der Kater, den Dato im Winter als Schal durch die Stadt trägt – die Wohnung verlassen wollte. Sie meinte, er könne sich in seinem Zustand ohnehin nicht mehr ausreichend um die Katzen kümmern. Dato fand das nicht lustig, nahm Valeria den Kater ab, ging nach Hause und verriegelte die Tür mit einem zusätzlichen Schloss, für das seine Ex keinen Schlüssel hatte. Nach einer halben Stunde hörte er die Haustür aufbersten. Er versteckte den Kater blitzartig im Schlafzimmer und schloss diese Tür ab. Valeria trat ein und forderte die Herausgabe des Schlüssels. Als Dato dies verweigerte trat sie auch die Schlafzimmertür ein (Valeria war Leistungssportlerin, Kunstturnerin, und ist immer noch sehr jung, entschlossen und gewalttätig). Es folgte eine Prügelei, der der schlacksige Dato nur mäßig gewachsen war und die erst vom Hauswart, der Dato zur Hilfe kam, abgebrochen wurde. Der Kater blieb so erst einmal bei Dato.

Diese Krise und einige folgende Stürze setzten Dato letztlich aber doch so zu, dass er sich aufraffte und im Morgenmantel und Puschen zur Quartalsärztin um die Ecke schlappte. Er kannte sie seit der Zeit seines Umzuges in dieses Viertel; sie hatte ihm seinerzeit angeboten, ihm eine schwere chronische Krankheit zu bescheinigen damit der Staat die volle Kostenübernahme für die medizinische Versorgung übernimmt. Sie wies ihn darauf hin, dass diese Diagnose aber später bei manchen offiziellen Geschäften von Nachteil seien könnte – z.B. beim Hauskauf. Dato war das egal. So wurde ihm eine schwere chronische Depression bescheinigt (wohl nicht ganz zu unrecht) und somit Teil seiner Krankenakte.

Die Ärztin seines Vertrauens war in Mutterschaftsurlaub. Die Vertretung kannte Dato nicht. Diese studierte die Krankenakte und fragte, was ihm denn fehle. Dato erklärte, dass ihm ständig schwindlig würde seitdem er eine Waschmaschine an seiner Wand aufgehängt hatte und sich infolge dessen den Kopf an Heizung und Eichenboden eingeschlagen hätte. Die Ärztin verstand keinen Spaß und rief zwei kräftige Pfleger, die Dato mit Blaulicht in die geschlossene Psychiatrie bringen ließen.

In der Psychiatrie wurde Dato oberflächlich untersucht und ohne Befund wieder gehen gelassen – allerdings erst gegen Mitternacht. Dato musste feststellen, dass der Akku seines Mobiltelefones leer war, er sich etwa 40 km außerhalb von Paris befand und er in seiner Aufmachung gleich wieder von der Polizei in die geschlossene Anstalt zurück gebracht werden würde. Freunde, die er hätte um Hilfe bitten können, hatte er seit seinem Gefängnisaufenthalt nicht mehr – sie sind tot, zurück nach Georgien gegangen oder mit neu gegründeten Familien weggezogen. Letztlich schaffte er es aber doch noch, einen Bahnhof zu finden und nach Paris zurückzukehren.

Gott machte den Fensterladen wieder zu. Er hatte für heute genug.

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