Döhle, 13.12.1991: Nicky und die samtenen Shit-Kicker

Wie’s eben immer so ist… .

Nachdem ich liebend von der Fee nach Hause zurückgekehrt war, trat Nicky mit samtenen Shit-Kickern in mein gelassenes Leben.

Ich halte meine Phantasie für groß – und doch tritt oft gerade das ein, was ich gar nicht bedenke.

Nachdem ich die Schwestern am Bahnsteig verpaßt hatte, obwohl wir aneinander vorbei gelaufen sein müssen, kam es zu einem recht unbeherzten Empfang mit belangloser Umarmung.

Ich zog es konsequent vor, die Situation erst einmal zu versachlichen und gemeinsame Aufmerksamkeit auf Außenstehendes zu lenken; wir gingen in die mir liebe Kunsthalle. Dort versuchte ich unsere Nervosität in einem run durch die europäische Kunstgeschichte zu ertränken, worauf aber vor allem Marie und ich ansprachen.

Beim großartigen Abry dann, blieb die Situation öffentlich, bis mich Nicola beim Coma-Italiener (von Abry ausgesucht) kurz und klar auf ihre Unzufriedenheit aufmerksam machte. Sie fand mich defensiv, nachdem ich bei dem Versuch mein Beziehungsverständniß zu erläutern, rot angelaufen war.

Da uns beiden ein öffentlicher Meinungsaustausch nicht lag, vereinbarten wir eine persönliche Aussprache später abends.

Diese war dann, wie halt immer so, sehr viel herzlicher und leichter verständig als die vorangegangenen – und durchschauten – Inszenierungen.

We spoke very soft and slow, bis sie ohne Vorwarnung und für mich völlig unerwartet aufstand, und ihre Arme um mich schlang. Da sie es nicht bei dieser mit der Phrase „freundschaftliche Umarmung“ entschärfbaren Geste beließ, sondern bei mir auf der Bank sitzen blieb und meine reflexartig wiedergeborenen Zärtlichkeit offensichtlich genoß, fand ich mich damit ab, auch diese Beziehung nicht mit meinem Regelsatz laufen lassen zu werden, und beließ es bei ihrer Überschrift “Zärtlichkeit”. Dabei sollte sie es nicht lassen.

Sie ließ sich in dieser ersten Nacht so schnell ganz auf meinen Körper ein, daß es mir den Atem nahm. Ich war völlig verwirrt und wußte nur soviel, daß mich meine neugeborenen zarten Gefühle zu ihr dermaßen berauschten, daß für Leidenschaft bei mir nicht der geringste Raum war. Und obwohl ich sie als sehr schön empfand, obwohl ich die Veräußerungen ihrer Leidenschaft ästhetisch genoß, obwohl sie mich zum ersten Mal als ein eigener Mensch einnahm, kam es nicht einmal zu ausgelassenen Intimküssen oder dem Verlust irgendwelcher Klamotten. Auch schlief sie – wie alle weiteren Nächte – im Nebenzimmer.

Der Morgen fand mich tief berührt, und ich war recht froh über mich.

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