Nostalgie hat mich mit einem Anflug siffiger Sentimentalität in ihren Fängen.
Drei Gefühle vergleichbarer Intensität kenne ich aus meiner Kindheit:
- Angst. Das zeitlich beständigste Gefühl.
- Traurigkeit. Erinnerungen an die Endlichkeit aller großer Regungen.
- Freude. Eine irrationale Lebensfreude, durchdrungen von Zuversicht und Kraft.
Wenn mich irgendetwas zum unerträglichen Arschloch macht, dann sind es bekenntniswütige Minderwertigkeitskomplexe (“Schlag mich, tritt mich, ich bin ja ein solcher Wurm!”). Ich bin dann immer geneigt, so lange reinzuschlagen, bis sich endlich aller Kraftlosigkeit zum Trotz, ein Überlebenswille bemerkbar macht. Bei Sascha, der ein unglaublicher Ascherezeptor ist, kommt es zu leidenschaftlichen Gegenreaktionen erst, wenn man ihm liebe Literatur angreift. Vorgestern Nacht haben wir uns mehrere Stunden über die richtige Art zu lesen gestritten. Ihm ist eine sehr stark romantisch/pseudoreligiös verklärte Sichtweise von Schriftstellern, die er als groß begreift, zueigen. Er differenziert zwischen dem Dichter und dem Autoren eines Stückes und meint, ein wahrer Dichter müßte sein ganzes Leben lang nichts schreiben, und wäre doch ein Dichter (writer, poet). Der Dichter als metaphysisches Wesen nicht von Fleisch und Blut, dem der Leser größten Respekt zu zollen hat, indem er so nah als möglich im Sinne dieses Astral-Wesens liest.
Außerdem macht mich seine Ungeschicklichkeit und Nachlässigkeit mitunter wütend. Das ganze Haus klebt von verschmiertem Honig und Marmeladen. B.M. geht zwar in ähnlicher food-fight-Manier mit klebrigen Nahrungsmitteln um, macht aber immer gleich wieder sauber. Diese Eigenart kann ich weder bei Sascha, noch bei mir verzeichnen. And I hate stickyness.
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