Petersburg, 02.01.1992: Geschichten aus Zentralasien und den USA

Bei oben genannter Uni-Dozentin arbeitete einst ein Kirgise als Assistent. Sie kamen beide wohl ganz gut miteinander klar, unterhielten sich vernünftig über Politik, Reisen usw.. Bis sie eines Tages miteinander tanzen gingen und er sie unverwandt und vollkommen ernsthaft fragte, was eine Braut in Leningrad eigentlich koste. Sie fragte konsterniert zurück, wie viel denn bei ihnen und er nannte eine Preisskala.

Darauf gekommen waren wir, weil sie behauptete, daß es so etwas wie einen „Sowjetmenschen“ tatsächlich gäbe und das russische Volk seine Eigenheiten ohnehin schon eingebüßt habe, ja, es schon gar keine “Russen” mehr gäbe. Sie gab meinen Einwänden dann mit dieser Geschichte nur in Bezug auf mittel-asiatische Kulturen Recht.

Sie äußerte auch die Befürchtung, daß Rußland selbst in einzelne Regionen zerfallen werde.

 

I met so much bygone past in the last few months, it confuses my present.

Gestern kam es mir wieder in den Sinn, wie ich einst Sumajah kennenlernte – die bisher einzige Frau, der ich hinterher lief:

Ich saß zwei Tage bevor ich Amerika verlassen sollte in einem New Yorker Bus auf dem Weg zu Ronny. Mir gegenüber sitzend bemerkte ich unschwer eine einnehmend schöne Schwarze, die in der NY-Times las und auch sonst Intelligenz schon im Äußeren versprach. Während ich sie interessiert betrachtete, stand ihr Sitznachbar auf und eine fette Akkumulation an vor Geilheit schwitzender Unästhetik machte sich auf, den Platz einzunehmen. Ich hatte vorher schon am Rande registriert, daß dieser Fettsack mit Kaper-Flecken unter den Achseln reges Interesse an der Schönheit hatte. Meine Entscheidung, den Platz an seiner Stelle zu okkupieren, wurde durch einen wissenden Augenaufschlag von ihr unterbunden. An der nächsten Station stieg sie aus und mir viel erst im anfahren des Busses ein, daß ich mich dieses eine Mal nicht über meine Handlungsunfähigkeit ärgern wollte; so sprang ich aus der sich schließenden Tür. Nach diesem Stunt stand ich hinter ihr. Sie war noch nicht losgegangen und beschäftigte sich damit, ihre Zeitung einzustecken. Ich sagte “I have never done this before, but this is not my busstopp.” Sie sah mich etwas irritiert an und ich wurde, den Unsinn, den ich von mir gegeben hatte, einsehend, rot. “Well, you drove me out of that bus… can I take photos of you?”. Sie lächelte mich an und sagte, daß sie es nicht gene habe, sich photographieren zu lassen. Aber treffen könne ich sie schon.

[Ich habe sie dann wieder getroffen, am Vortag meiner Abreise. Es stellte sich heraus, dass sie ein Doppelstudium (Medizin und Humanbiologie) an der NYU absolvierte, mit einem Stipendium. Ich war tief beeindruckt. Sie nahm mich mit zu sich nach Hause, bot mir an, bei ihr zu übernachten, warnte mich aber vor den schrägen Geräuschen, die von der Wohnung über ihr ausgingen. Dort lebte und arbeitete eine Prostituierte; tagsüber waren die normalen Arbeitsgeräusche zu hören, nachts aber rückte sie stundenlang die Möbel. Genau so war es auch. Am nächsten Morgen verpasste ich ums Haar und einigermaßen absichtlich das Flugzeug zurück nach Deutschland.]

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