Leningrad, 29.10.1991: Uni, Türschloss, BM & Fotototem

Heute wieder an der Uni gewesen, um die 3200R + 22$ + 3R zu bezahlen und das neue Visum in Auftrag zu geben, mit dem ich dann vielleicht tatsächlich aus- und wieder einreisen können werde. Da es ein Visum für ein Jahr ist, habe ich gute Chancen, Tickets für Rubel zu bekommen.

Ansonsten habe ich heute ein Schloß gekauft und im Moment wetteifern gerade drei Parteien im mir Helfen. B.M., die rechtmäßigen Besitzer (die ich als Einzige vermochte auszuladen) und meine Nachbarn, die ich gegen Bezahlung am liebsten verdient machen würde. Für das Schloß brauche ich vor allem nur Werkzeuge, den Rest könnte ich auch alleine.

Die vierte hat gewonnen; morgen früh kommt irgend so ein Profi-Schlosser (Bekannter von B.M.) und baut den Scheiß für 100R ein, nachdem ich schon alle Werkzeuge, die nötig waren, besorgt hatte. Ist bequemer so.

BM macht Tee in meinem Pullover; rechts mein Totempfahl

Während ich mit den Schlössern beschäftigt war, hat B.M. mir für sieben Tage Essen zubereitet. Sehr schmackhaft. Die Menschen in diesem Land verfügen über die aggressivste Gastfreundschaft, die ich je gefürchtet habe. Denn die einzige für mich sichtbare Alternative ist der konsequente Abbruch aller freundschaftlichen Beziehungen hier. Die Kunst des distanziert sterben lassen, verstehen die Menschen hier überhaupt nicht. Andererseits verrecken die Penner auch hier auf den Straßen.

Außerdem sah B.M. die Bilder von Fee und verliebte sich gleich so in sie, daß sie ihr gestern Nacht um 2.00, nach einem für sie sehr eindrucksvollen Theatererlebnis, einen Brief schrieb, indem sie von dem Theaterstück (“Puschkin und Anna”) und von Puschkin selbst schrieb. Wenn dieser Brief erst einmal ins Englische übersetzt ist, wird Alexandra ihn bestimmt auch erhalten.

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