Heute wieder vor den letzten Reparatur-Arbeiten mit B.M. in einen Park nahe der Puschkin-Stadt geflüchtet. Sie sprach viel von ihrer Seele, ihren Ängsten und Träumen. Sie meinte, ich sei der Mensch, dem sie zum eigenen Nutzen alles erzählen würde. Sie fing definitiv heute damit an – schwerer Stoff, der Stoff, aus dem kraftvolle und selbstbewußte Menschen sind, die in einer Umgebung leben, die ihnen beides abspricht.
Soviel ich verstanden habe – und das war dank ihrer Ausdauer einiges, glaube ich – hat sie schwere Jahre der Selbstverneinung hinter sich, in denen sie vor allem für andere war, und weiß nicht, ob sie sich jetzt aufmachen soll ihr eigenes Selbst bei sich zu suchen und zu verwirklichen. Sie zitierte – wohl als Kontradikt – eine Antwort auf Raskolnikovs Frage (Schuld und Sühne) nach einer Möglichkeit zu sühnen: Gib dich selbst, dann nimmt das Leben dich.
Wäre ich sprachlich dazu in der Lage, riete ich ihr wohl zum Egoismus; vielleicht ist ihre Fähigkeit für andere zu sein aber ihrer Seele auch so verwandt, daß alles andere eher Selbstverleugnung wäre.
Wir haben dann noch etwas Sprache gemacht – sie möchte, daß ich bei ihr Grundlagen für Deutsch schaffe! – vor allem aber Russisch, und danach bei leckerem Essen (das selbstredend nur ich aß) uns unsere Lieblingsstellen im Faust auf russisch an den Kopf geschmissen; sprachlich überfordert sie mich maßlos, aber mit einem solchen Durchhaltevermögen, daß es auf Dauer vielleicht doch etwas bringt.
Die Wohnung ist klasse geworden – hell und überall verkommender Oma-Kitsch – wie ich es liebe. Für diverse Schlafmöglichkeiten ist gesorgt. B.M. scheint den Preis noch auf die Unsumme von 80DM gedrückt zu haben. Wie sie das gemacht hat, weiß ich nicht (es waren zwischenzeitlich 170DM im Gespräch). Es kann sein, daß sie einen Teil der Summe selber zahlt, weil sie möchte, daß Alexander hier mit einzieht. Das werde ich auf keinen Fall annehmen, ihr Aufwand stünde zu meinem in überhaupt keiner Relation. Im übrigen steht die Wohnung der in Kalk nichts nach, die Lage ist noch um einiges angenehmer.
Zu den erotischen Blickfängen ist zu sagen, daß an deren statt erotische Blicke herumfliegen, und das zu Hauf: Das Rollenverständnis lebt in öffentlicher Mimik und Gestik eher plakativ.
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