Tbilissi, 25. März 1993: postsowjetische Konflikte

Die Sprache der Franacken ist nicht, wie allg. angenommen, die “Sprache der Liebe”, sondern “Die Sprache anstelle von Liebe”. Sie sitzen ganze Nächte hindurch zusammen im Bett und schmeicheln einander. Der Inhalt der Schmeicheleien ist dabei völlig unerheblich; selbst die Frage nach der Uhrzeit hört sich zotig genug an, um anstelle von Gefummel zu wirken.

 

Zur Situation hier ist zu sagen, daß viele der ehm. sowj. Machtstrukturen natürlich noch existieren und teils miteinander, teils gegeneinander wirken. Welche Form die bestehenden Mächte auf dem Gebiet der ehern. Sowjetunion annehmen wird, ist noch fällig unklar.

Eine der entscheidenden Fragen ist die, ob die nach westlichem Modell und mit westlicher Hilfe funktionierenden “demokratischen” Kräfte die Kontrolle über den alten, in erster Linie militärischen, Machtapparat gewinnen können. Wenn überhaupt möglich, wird dies ein sehr schwieriger Prozess sein, der politisches Genie in einem kaum vorstellbaren Maß erfordert.

Nur dank der besonderen Situation Rußlands, als eine militärische Weltmacht, ist es noch nicht zu einem Bürgerkrieg größeren Ausmaßes in Rußland selbst gekommen – denn das bedeutete einen überregionalen, wenn nicht gar einen Weltkrieg. Daher wird dieser Konflikt zwischen alter Macht, noch bestehender Macht und neuer, westgestützter und noch zu etablierender Macht auf kleiner Flamme in den nicht im Brennpunkt des Weltinteresses stehenden Satelliten auf kleiner Flamme köcheln gelassen. Da die ehern. Rote Armee, jetzt Russische Armee aber in allen Republiken, einschließlich der nicht zur GUS gehörenden Staaten (Georgien und die Baltischen Republiken) und mit der Ausnahme der Ukraine noch die eigentliche militärische Schlagkraft besitzt, wäre eine gewaltsame (formale) Vereinigung der Sowjetunion nicht unmöglich. Das unentschiedene und widersprüchlich Verhalten der Armee in den Krisengebieten (Moldawien, Armenien/Aserbaidschan, Georgien und Tadschikistan), zur Zeit des Putsches und in der jetzigen Krise in Moskau legt allerdings die Vermutung nahe, daß alles andere als ein Interessenkonsens innerhalb der Armeeführung besteht. Ist auch kein großes Wunder, weil die Armee immer noch multinational bis in die obersten Ränge und die Loyalität der Soldaten (zu wem denn auch?) völlig ungewiß ist.

In den sog. ethnischen Konflikten ist die Rote Armee (der Einfachheit halber nenne ich sie mal so) bemüht, Rußlands zentralistische Position zu stärken, indem ein Kräftegleichgewicht der Opponenten dieser Regionalen Konflikte gewährleistet wird. Ihr müßt Euch das so vorstellen: überall wo gekämpft wird, stehen sich Menschen in gleichen Uniformen mit gleichen Waffen und gleicher Ausrüstung gegenüber, die die gleiche Ausbildung erhalten haben und noch vor kurzem in der gleichen Armee dienten (in der S.U. herrschte Wehrpflicht). Die Waffen und Ausrüstungsgegenstände, von Kalaschnikows bis zu modernen Kampfpanzen, kommen ausnahmslos von der Roten Armee (alleine Aserbaidschan wird neuerdings von der Türkei unterstützt)! Und Angriffe im größeren Stil (wie die derzeitige Bombardierung Suchumis) werden von der Roten Armee selbst koordiniert und ausgeführt.

Das sind aber offensichtlich alles Hinhaltetaktiken und keine Lösungen; daß sich die Militärs darüber im Klaren sind und nicht ewig warten werden, dürfen wir annehmen.

Nur aufgrund dieser internen Widersprüche war es möglich, daß die Sowjetunion nach dem Putsch im letzten Jahr von einem dahergelaufenen Populisten im Handstreich aufgelöst werden konnte.

Auch im derzeitigen Machtkampf zwischen Hasbulatow (Parlamentspräsident aus der kaukasischen Region Tschetschenien) mit seinem Präsidentenanwärter und Jelzin (der alleine auf den Westen baut), verhält sich die Armee bis dato wieder neutral.

Im georgischen Konflikt war Jelzins Unterschrift auf dem Neutralitätsabkonmen zwischen Georgien (Shewardnadse). Abchasien (Ardsimba) und Rußland den Militärs für’n Arsch. Die Intervention des russichen Militärs ging danach erst richtig los. Die Machtlosigkeit der legitimen Führung Rußlands ist mitunter schon rührend: Nachdem die Georgier nun einen russischen Bomber abgeschossen hatten und das Ding auch nicht wie vor ein paar Monaten ein Kampfhubschrauber soweit zerstört war, daß man mit gleichem Recht behaupten konnte, dort säßen Frauen und Kinder (Flüchtlinge) oder südafrikanische Söldner drinnen – der Pilot also bis auf tot noch recht intakt und russisch war, behauptete der russische Verteidigungsminister im Fernsehen, daß die Georgier (unter denen auch Russen leben, die auf Seiten Georgiens kämpfen) Flugzeuge, die sie von der Roten Armee geklaut hätten, ummalen würden und selbst ihre eigenen Stützpunkte und Städte bombardieren würden, um das den Russen in die Schuhe zu schieben.

Shewardnadse andererseits, könnte sich mit seinen ehern. Genossen wohl arrangieren – unter großen Zugeständnissen an Rußland (z.B. Präsens des russischen Militärs, Zugang zum Schwarzen Meer, Kontrolle der Küste, Kontrolle der Militärfabriken… ) – nur verfügt er in Georgien über keinerlei Exekutivgewalt: Die Armee befehligt Tengis Kitowani, ein zwielichtiger Professor für Metallurgie(?), der nebenbei die Benzinmafia leitet (er ist der ehern. Liebhaber einer Freundin von mir hier), und die “Ritter”, bewaffnete Gangs, die zum Sturz von Gamsachhurdia mit beigetragen haben, organisiert und befehligt der. Bankräuber, Strafgefangene und Pate Dschaba Jussuljani, seines Zeichens jetzt Stellvertreter Shewadnadses. Die beiden haben Shew., nachdem sie vor den Trümmern ihres Sieges über Gamsachh standen, überhaupt erst nach Georgien zurückgeholt, um ihre Macht irgendwie zu legitimieren und im Westen hoffähig zu machen. Und eben die beiden haben ihre Positionen bis heute nur dank des Krieges inne …

 

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