Tbilisi, 3. Januar 1993: Samtredia

Nicht acht Stunden, sondern 14. Und geschlagene drei Tage für die Rückfahrt. Das Transportsystem funktioniert ähnlich dem Telephonsystem nur noch nach Gutdünken.

Irmas Bruder, ein professioneller Hamster, der auch ohne mit der Wimper zu zucken ein paar feindliche Wichte im geplanten Racheakt wegtut, verliebte sich unheimlich in mich und konnte die ganze Zeit nicht von mir lassen. Ich tat mich anfangs schwer mit ihm, fand ihn dann aber doch ganz nett. Er ist bemüht, einen wahren GRUSINCKIJ MUSCHIK zu verkörpern – mit erstaunlichem Erfolg. Frauen haben in seiner primitiv-patriarchalischen Vorstellungswelt nur als Stimulanzen der Männer Männlichkeit und als deren Versorger Platz. Es erstaunt, daß Irma und er aus ein und derselben Familie hervorgegangen sind. Als Grund für Schlägereien und Messerstechereien nannte er mir vor allem Ehrverletzungen. Die Leute, die er schlitzte, hatten vorher seinen Kumpel ins Bein gestochen. Mit der Rache wurde gewartet, bis der Verletzte Freund aus dem Krankenhaus entlassen worden war, damit sich die Opfer nicht auf Station träfen. Zwei der Gegner, die mit heißen Waffen bewaffnet waren, schaltete Nukri mit meiner geliehenen Gaspistole aus, zwei weiteren wurde in den Hintern gestochen und den eigentlichen Täter erwischte es im Bauch. Die Miliz wird in diese Spielchen allgemeinen Einverständnisses so gut wie nie mit einbezogen.

Nachdem ich zum zweiten Mal mehrere Stunden auf dem Bahnhofsplatz vergebens auf eine Transportmöglichkeit nach Tbilissi gewartet hatte, gingen Nukri, der sich immer heroisch um mich sorgte, ich und zwei Bekannte von ihm ins verwüste Theater um dort das Freßpaket Irmas zu vertilgen. Da kein Wodka mehr gekauft werden konnte, zückte mein Schutzherr selbstgebaute Azetondrogen und die anwesenden Männer betörten sich gehörig mit der Chemikalie.

Getrunken und gefressen wurde bestialisch, allerdings nie bis zur wirklichen Unästhetik. Auch ich tanzte bisweilen sich in die Hingabe zierende Jungfrauen auf Socken durch den Schnee. Bin ich betrunken, erhebe ich die erstaunlichsten Trinksprüche – wurde von daher auch den letzten Abend zum TAMADA ernannt…

Dank der günstigen äußeren Gegebenheiten, gelang es mir sogar ein wenig, Tbilissi, die neuen freundschaftlichen Beziehungen und allem voran natürlich Nino zu vermissen.

 

Begünstigt durch achttägigen Masturbationsentzuges bekam ich ums Haar einen Sexualkrampf und mir träumten die merkwürdigsten Dinge. So trat ich z.B. in ein Haus, in dem ich meine Feinde wußte. Ich ging zusammen mit einem Freund, sie aufzuspüren. Bewaffnet waren wir nur mit Messer und gußeisener Bratpfanne. Das Messer trug zunächst ich. Als ich ins erste Zimmer des geräumigen Geisterhauses trat, erschrak ich nicht schlecht: Ich sah, wie eine schöne, blonde Frau lustvoll mit einem Mann und einer Frau schlief. Ich nahm diese Szene sehr konkret in günstigster Pornoeinstellung wahr, d.h. mit scharf sichtbaren, einander bearbeitenden Geschlechtsorganen. Die auf dem Rücken liegende und von oben gevögelt werdende Schöne, erkannte ich als Fee. Es brannte sich mir vor allem ins Bewußtsein, wie sie den anderen Schwanz in sich haben wollte. Ich besann mich – wohl aus Selbstschutz – auf mein eigentliches Ansinnen und hob, weil ich die beiden anderen beteiligten Personen noch nicht erkannt hatte, meine Waffe, die sich in eine zaghaft wirkende Aluminiumbratpfanne verwandelt hatte, was mir nicht wenig peinlich war. Der aufliegende Junge sah mich zuerst und erschrak, riß sich unschön aus Alexandras Innerem heraus und verkroch sich nackt und seine Scham schützend in einer Ecke des schummrigen Zimmers. Alexandra erkannte mich und sagte irgendetwas Richtiges. Ich hatte den jungen Mann als einen mir sehr unsympathischen, nicht aber verfeindeten Bekannten erkannt, 1ieß die dünne Aluminiumbratpfanne mit Sowjetholzgriff sinken und wies die überraschten Schäferstündler an, den Raum nicht zu verlassen. Ich empfand Abscheu in Bezug auf Fee und Mordlust gegen den Buhler, doch die große Leere (Drainage) gewann.

Ich verließ das Zimmer, nach dem ich noch irgendetwas Unverständliches ausgeschrien hatte und machte mich mit meinem Freund auf, das Haus weiter zu durchsuchen.

Ich erinnere mich nur noch, daß wir auf zwei Leute stießen, von denen einer so eine Art Feind war, der aber von meinem Kumpel nur die gußeiserne Bratpfanne an den Kopf geworfen bekam. Mir war die Gefahr nach meinem Erlebnis um einiges gleichgültiger.

Irgendwo in dem Haus traf ich noch einmal auf Alexandra und sagte ihr, daß sie ihrem Sexualpartner ausrichten solle, es sei besser für ihn, wenn wir uns einige Zeit nicht sähen. Sie belächelte mich etwas und willigte ein.

 

Tinikos Großmutter war schwarze Hexe und Tiniko selbst meint, einige ihrer Fähigkeiten geerbt zu haben – allerdings im Bereich der Weißen Magie (Heilung, Schmerzlinderung).

Mir fehlt ein Mensch wie Bernd, der mir zu meiner Weltbeschreibung Kontra gibt. Fast alle, die zuhören, erwidern nicht.

 

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