Tbilisi, 21. Dezember 1992: Bandit mit Möchtegerndieb zu Hause

Der Bandit, der heute mit einem Freund, dem Stil nach Chicago, 30’ger Jahre, zum Telefonieren vorbeikam und bei der Gelegenheit es verdammt hartnäckig versuchte mir meine Schuhe abzuschwatzen, erzählte mir von dem sehr beliebten Spiel des Auto-kidnappens: Ein Auto wird gestohlen, der Dieb stellt es irgendwo ab, ruft dann einen von drei in der Stadt ansässigen “Buchhaltern” an, gibt dem Registriernummer und Typ durch und wartet. Der Bestohlene findet in der Zwischenzeit Kontaktmänner in der Szene, die die Verbindung zum Buchhalter herstellen. Dieser prüft, ob das gesuchte Auto bei ihm registriert ist, und übermittelt die Lösegeldforderung. Ist der Rückkäufer einverstanden, wird sein Auto an den gewünschten Platz gestellt und er übergibt das Geld in den folgenden Tagen – übergibt er’s nicht, wird es wieder geklaut.

 

Tiniko erzählte mir von ihrem Bruder, der, wie alle jungen unverheirateten Tbilisser Buben, regelmäßig zu Prostituierten geht. Sie war nicht wenig überrascht zu erfahren, daß ich Sex nicht als reflexive Notwendigkeit meines vegetativen Nervensystems ansehe. Vielleicht gelingt es ihr, mich über ihren Bruder in diese feuchte Höhle Tbilissier Gesellschaft einzuführen (sie bot mir das zunächst im sorgenvollen Hinblick auf meine Potenzbefriedigung an).

 

Die Georgier – Meister des Absurden: Die car-alarms heulen ständig, jeden Tag rast ein Auto mit quietschenden Reifen vor, ein Typ reißt die Tür auf, springt raus und brüllt ein paar Duzend Mal “Dato!” die Häuserzeile hoch – ein Ruf der keinen Tag beantwortet wird – hupt zur Abwechslung wie ein Besessener (und wie all die Anderen, die ihre Kumpanen mit etwas größeren Erfo1gchancen anrufen) , steigt wieder in sein Auto und rast davon. Gesehen und gehört werden ist alles. Unglaubliche Idioten.

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