Tbilisi, 14. November 1992: zivilisationsmüde Tourismuskritik

Man kann Sprache anfassen, wie ein heißes Eisen, mit den Fingerspitzen, um dann irgendwelche schönen Dinge daraus zu formen. Oder man nimmt sie geradeheraus, wie eine willige Frau, die die Lust verzehrt.

Das Recht auf Urlaub, wo immer es beliebt, ist genauso eine Metastase der modernen Ignoranz wie das Recht auf Schönheit. Deutsche, Engländer, Japaner, Amerikaner bereisen die Welt und schaffen, wo immer sie hintreten, die besondere Welt der Urlaubsindustriekultur. Nicht ganz wie zu Hause, aber doch fast.

So wie der Tod und das Alter immer weiter aus unserer Wahrnehmung verschwinden müssen, so auch all das, was Menschen wirklich voneinander unterscheidet; und das liegt an den Wurzeln der Kulturen, ganz in der Nähe der entscheidenden Gegebenheiten des Menschseins, die uns wieder vereinen. Der Tod, Gott, die Zeit, Ich und Du in deren Zeichen aber dann die verschiedenen Versuche unter diesen Sternen zu leben und nicht zu verzagen unternommen werden.

Das alles muß weg, aus dem Weg, wenn die goldenen Horden ins Reisebüro gehen, sich einen alternativen Reiseführer kaufen, der die nächsten terror-grounds den Barfußtouristen aufzeigt, damit diese den Weg eintreten, den die reichere Nachhut dann austreten wird. Tourismus ist das genaue Gegenteil eines jeden Kulturaustausches; es ist eines der wichtigsten Mittel des Kulturimperialismus.

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