3. Mai 1996

Heute mit dem Bruder von Medea, einem Kapitan des KGB, gespro­chen. Er war sehr gesprächig.

Die hochorganisierte Struktur der v.v.s. der Sowjetunion hält er für zumindest KGB-unterstützt. Er selbst war in der Anwerbung von Autoritäten und V-Männern in der Verbrecherwelt Abchasiens tätig. Auch wenn die Befehle aus Moskau mitunter durch Planwirt­schaft auch in den Informationsdiensten absurd war (z.B. inner­halb von drei Wochen 2 Diebe zu werben und 15 Informationen zu bekommen) funktionierte das Prinzip der “indirect rule” sehr gut. Informationen wurden in beide Richtungen getauscht und über das Netzwerk konnte die riesige Verbrecherwelt der gesamten Sowjetunion im Auge behalten werden. Organisationen und Aktio­nen, die den Staat gefährdeten, konnte so ausgeschlossen werden. Nach dem 2. Weltkrieg und 1992 konnte der KGB durch geschickt gestreutes Gift die Macht der v.v.s. durch interne Kriege weit­gehend zerschlagen. 1992 waren sie unnütz geworden, da sie die Aufstrebende junge Verbrechergeneration nicht mehr zu kontrol­lieren vermochten. Die diskutierte Alternative sei es gewesen, alle alten Autoritäten schlicht zu liquidieren. Die Institution in Moskau, die sich seit dem Untergang der SU mit dem neuen Verhältnis zwischen Verbrecherwelt und Staat befaßt, läuft unter dem Deckmantel “Rußland-Amerika Institut” und ist mit alten Kadern des KGB besetzt. Es gibt die Diebesnetzwerke stark ge­schwächt also noch, doch scheinen die Sportler unter der neuen Patronage der Sicherheitsdienste auf dem Vormarsch zu sein.

Mit dem Zusammenbruch der SU kamem neue Verbrechergenerationen an die Macht: Mit der Ausnahme der Bürgerkriegsregionen waren es überall mafiöse Strukturen. In Georgien hingegen ist die Organi­sation der Mchedrionzi bezeichnend gewesen für die Hybride aus Krieg, Waffen und Verbrechen. Die alten Autoritäten der krimi­nellen Welt waren schon vorher aus Georgien verschwunden – an­geblich, weil es nicht ehrenhaft war, in einem verarmten Land zu rauben. Ca. 1 mill. Menschen verließen Georgien, die meisten davon Leute mit Wohlstand. Da mit den neuen Kräften die Rahmen von Verbrechen, die den Dieben ihre Macht gaben, verschwanden (Staatsdienst, Krieg und Verbrechen verschmolzen miteinander), wurden sie zu den absoluten Feinden der Diebesdiaspora. Letztere war machtlos, solange Jaba mit seiner Privatarmee uneinge­schränkte Handlungsfreiheit hatte (einige aus Moskau entsandte Diebe wurden sofort nach ihrer Ankunft umgebracht – siehe Inter­view mit Gia). Nachdem die Mchedrioni entmachtet wurden, begann nicht nur der erstarkende Staat sie zu jagen, sondern auch die Diebesdiaspora. Mein Informant weiß von ca. 60 Fällen, in denen Mchedrioni im Gefängnis von speziell gesandten Killern (die sich für Lapalien einlochen ließen) umgebracht wurden, obwohl sie nach Artikel 0630 (?) der Sondergesetze isoliert zum eigenen Schutz einsitzen.

Interessant ist, daß der KGB sich offensichtlich als Staat im Staat verstand und die interne Spionage nach den gleichen Regeln betrieb, wie die Auslandsspionage. Alles, was die Macht des Staates nicht gefährdete, wurde nur beobachtet und indirekt kontrolliert. Organisiertes Verbrechen, daß dem Staat Ressour­sen abspenstig machte (z.B. Steuern) ist ein recht neues Phäno­men in der SU. Die Ressoursen Gerechtigkeit und in Teilen Gewalt wurden vom KGB hier wohl nicht als relevant eingestuft.

Einen weiteren Grund für den Aufstieg und Fall der Mchedrioni und Garde sieht der Informant darin, daß Moskau sie für den Sturz der nationalen Kräfte (Sviad) funktionalisieren konnte, weiter zum Zerschlagen der Diebeswelt in der Provinz und für die steuerbaren Kriege in Ossetien und Abchasien. Nachdem sie ihre Rolle gespielt hatten, wurden sie vernichtet.

Mein Informant, der selbst von Anfang bis zum Ende in Abchasien kämpfte, hält gerade die plündernden Lumpen aus Mchedrioni und Garde in der alleine Moskau gewinnbringenden Eskalation in Ab­chasien für Hauptschuldige. Sie ließen von Anfang an alle Frie­densverhandlungen (die es in seriöser Form mit den Sicherheits­strukturen, in denen er war, gab) scheitern und kämpten nur solange es sich lohnte.

Die Diaspora-Diebe sollen diese Kräfte offiziell aufgefordert haben, entweder das Krieg spielen sein zu lassen, oder aber sich nicht mehr als Verbrecher (prestupniki) zu bezeichnen.

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